Pubertät: Ein Teenager mit Pappkrone macht einen großen Sprung
Lass uns reden!

Pubertät: Wie Eltern & Teens im Gespräch bleiben

Wenn Kinder in die Pubertät kommen, sind Eltern oft überfordert. Reden mit maulfaulen Teenagern? Ja, das geht!

Gerade saßen da noch die verspielte Volksschülerin oder der charmante Elfjährige auf dem Sofa – und plötzlich lümmelt dort ein ruppiger Teenager, der kaum spricht und schnell im Zimmer verschwindet. In der Pubertät erkennen viele Eltern ihr Kind nicht wieder.

Das ist ganz normal, sagt Jessica Hess, Psychologin, (Jugend)coach und familylab-Elternberaterin nach Jesper Juul. Denn körperliche Veränderungen kosten Kraft und im Gehirn ist Großbaustelle: Neue Schaltstellen entstehen, Nervenzellen werden neu verknüpft und häufig genutzte Verbindungen intensiviert. Ganz zuletzt dran, oft erst im jungen Erwachsenenalter, ist das Stirnhirn – das zuständig für rationales Denken und überlegtes Planen ist.

Als Teil ihrer Entwicklung distanzieren sich Jugendliche jetzt von den Eltern und reden lieber mit ihren Freunden. Trotzdem muss der Gesprächsfaden in der Familie nicht abreißen – und sollte es auch nicht. Wenn Eltern das im Alltag üben, lässt sich mit den Teens auch leichter über Regeln, Konflikte und Themen wie Alkohol, Rollenbilder, Liebe oder Sexualität sprechen. Erzwingen lassen sich Gespräche nicht, doch so können Eltern die Weichen günstig stellen:

Pubertät: 13 Tipps, um mit Ihrem Pubertier zu reden

Tipp 1: Haltung & Ton überdenken

Ob Kleinkind oder Pubertier: Eltern leiten ihre Kinder Richtung Erwachsensein – ähnlich einem Leuchtturm, der ein im Meer treibendes Boot navigiert. Basis der Beziehung ist eine gleichwürdige Haltung der Eltern. „Jugendliche wollen unterstützt, aber auch auf Augenhöhe ernst genommen werden“, sagt Jessica Hess.

Verstehen sich Eltern jetzt nicht mehr als Erziehende, sondern als respektvolle Begleiter/innen ihrer Jugendlichen, ist die Basis für gute Gespräche gelegt. „Eine gleichwürdige Haltung bringt mehr als Machtgelüste.“ Hilfreiche Grundlagen sind auch ein warmer, freundlicher Umgangston und die Überzeugung, dass Jugendliche etwas erzählen wollen.

Tipp 2: Flexibel im Umgang bleiben

Lassen Sie die Jugendlichen mitentscheiden, wann sie mit Ihnen sprechen möchten. Direkt nach einem anstrengenden Schultag wollen viele Teenies einfach nur entspannen und nicht mit Fragen bombardiert werden. Akzeptieren Sie das vorerst, statt auf einem sofortigem Gespräch zu bestehen, rät Ulrike Döpfner, Psychologin und Autorin von „Der Zauber guter Gespräche“.

Tipp 3: Abrufbar für verschiedene Themen sein

Sie möchten aber sicher gehen, dass ein bestimmtes Thema noch am selben Tag abgehandelt wird? Dann können Sie dem Teenie entgegen kommen, indem Sie sich für einen bestimmten Zeitraum „verfügbar“ halten, rät Expertin Hess: „Diese Sache ist mir so wichtig, dass ich sie am Abend mit dir besprechen möchte. Wir können uns dazu gern Tee und ein feines Brot herrichten. Ich kann jederzeit zwischen 19 und 21 Uhr.“ Das zeigt Wertschätzung für die Pläne des Teenagers, der vielleicht auch noch mit der Freundin chatten möchte, und überträgt zugleich Verantwortung.

Tipp 4:  Setting auf die Pubertät anpassen

Manche Teenies plaudern lieber bei gemeinsamen Aktivitäten wie Tischtennis, Joggen oder einer Autofahrt zu zweit. Ein Gespräch unterwegs kann genauso tief gründen wie beim Sitzen. Jugendliche öffnen sich leichter, wenn ihnen die exklusive Aufmerksamkeit des Elternteils sicher ist. Lassen Sie daher den Störenfried Handy zu Hause oder lautlos in der Tasche.

Tipp 5: Teenie-Themen aufgreifen

Teenager haben Leidenschaften, die Eltern nicht unbedingt teilen – wie Lieblingsvideos auf youtube, angesagte Stylings oder das neueste Computerspiel. Signalisieren Mama und Papa echtes Interesse ohne Herabwürdigung, möchten ihre Kinder vielleicht in einem Gespräch ihre Expertise zeigen. Das tut ihrer Seele gut – und trainiert, Gedanken in Worte zu kleiden, sagt Martine Delfos, Autorin von „Wie meinst du das?„.

Pubertät: Mehr Tipps zur richtigen Gesprächsführung

Tipp 6: Locker in die Gespräche einsteigen

Auch Smalltalk kann helfen, ins Gespräch zu kommen. Fragt man Jugendliche etwa um ihre Meinung zu aktuellen Tagesthemen, fühlen sie sich auch ernst genommen. Manchmal können Bilder statt Worte den Einstieg erleichtern – vielleicht mag jemand Handyfotos zeigen? Als Aufwärmrunde eignet sich auch ein persönliches Erlebnis oder Hoppala des Erwachsenen: „Stell dir vor, was mir heute passiert ist: … !“ Wenden Sie sich dabei Ihrem Kind zu und schauen Sie ihm in die Augen.

Tipp 7: Fragen anders stellen

Eltern wollen viel über ihre Teenies wissen. Am liebsten deren ganzen Tagesablauf. Das spielt es aber kaum, weil: gähn! Daher lieber punktuell fragen – etwa nach Superlativen: Was hat dir beim Training besonders Spaß gemacht? oder: Welcher Lehrer hat dich heute am meisten genervt? Als Revanche können die Eltern kurz von ihrem aufreibenden Zoom-Meeting erzählen.

Tipp 8: Aktiv den Pubertierenden zuhören

Diese Technik aus Thomas Gordons Kult-Ratgeber „Familienkonferenz“ wirkt auch bei knurrigen Teens, weil sie sich dadurch angenommen fühlen: Eltern fassen die Aussagen der Kids in eigenen Worten zusammen – samt der Gefühle, die sie dahinter vermuten. Pause haben Bewertungen, Ratschläge und bohrende Nachfragen. Ein Beispiel: Tochter: „Ich hasse Melly! Sie ist nur mehr mit der Neuen unterwegs.“ Mama: „Du fühlst dich ausgegrenzt und das macht dich wütend, richtig?“

Tipp 9: Mit Wenn-Sätzen und Ich-Botschaften reden

Auch die „gewaltfreie Kommunikation“ nach Marshall B. Rosenberg verzichtet auf alte Muster wie Druck, Drohungen oder Abwertungen. Zentrales Element sind die vier Schritte der „Giraffensprache“: „Wenn ich bemerke, dass ich noch keine Info zu deinem Turnier am Samstag bekommen habe (1. Beobachtung), bin ich verärgert (2. Gefühl). Denn ich würde gern das Wochenende planen (3. Bedürfnis). Wärst du bereit, mir bis heute Abend Bescheid zu sagen (4. Bitte)?“ Das Wörtchen „wenn“ und die Ich-Botschaften verhindern direkte Kritik am Gegenüber, erklärt Jessica Hess.

Tipp 10: Eigene Erfahrungen einbringen

Klar, Jugendliche handeln nicht immer vernünftig. Kommen Mama oder Papa zum Beispiel drauf, dass die 14-Jährige raucht, atmen sie am besten tief durch und erzählen zunächst von eigenen Jugendsünden. Erst danach sprechen sie ohne Vorwürfe über ihre Bedenken. „So entsteht eine bessere Gesprächsbasis als bei elterlichem Drüberfahren“, sagt Psychologin Jessica Hess.

Tipp 11: Nicht persönlich nehmen

Sie beherzigen alle Tipps und dennoch kracht es im Gespräch? Halten Sie sich vor Augen, dass sich Jugendliche reiben wollen und müssen – am liebsten, bis die Eltern explodieren. Aufgrund der massiven Umbauten im Gehirn kann es Teens zudem schwer fallen, Emotionen wie einen gekränkten Gesichtsausdruck wahrzunehmen und sich rechtzeitig einzubremsen. Jessica Hess beschreibt das so: „Es ist, als ob der Teenager eine Brille mit falschen Dioptrien aufhätte, die alles verzerrt.“ Sind die Kids verbal über das Ziel hinaus geschossen, heißt es: Verständnis haben – und/oder einen der folgenden Tipps einsetzen:

Tipp 12: Notbremse ziehen, bevor Konflikte entstehen

Eltern können auch versuchen, ein schwieriges Gespräch zu verlagern, rät Jessica Hess. Vielleicht glättet ein gemeinsamer Spaziergang die Wogen? Beide Seiten können auch für eine Erholungspause plädieren. Das heißt: Sie vertagen auf später, geben das Gespräch aber nicht auf – das sollte allen klar sein. Nach einigen Stunden gelingt ein Kontakt vielleicht wieder besser. Falls Sie selbst verbal entgleist sein sollten, ist auch eine Entschuldigung fällig.

Tipp 13: Übers Reden reden

Erfolg verspricht auch die „Metakommunikation“, also zwischendurch über das Gespräch zu sprechen, rät Martine Delfos. Für eine neue Verbindung sorgen Sätze wie: „Das Gespräch läuft nicht, das merken wir beide. Hast du eine Idee, was wir falsch machen?“ oder: „Du schweigst; wenn das heißt, dass du nicht reden möchtest, finde ich es schade. Aber du hast bestimmt einen Grund dafür.“ Metakommunikation macht auch zum Abschluss des Gespräches Sinn – genau so wie eine Zusammenfassung der wichtigsten Inhalte.

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