Frau am Meer in Yoga-Position mit erhobenen Armen
Tief Luft holen!

Richtig atmen: 9 Profitipps

Warum richtiges Atmen Körper, Geist und Seele in Balance bringt – und wie Sie es lernen können.

Schnell noch zum Bäcker sprinten, dann zur U-Bahn rasen. In einer Viertelstunde beginnt die Präsentation im Büro. Stress und Hektik im Alltag lassen oft kaum eine Verschnaufpause – und somit keine Zeit für tiefes, beruhigendes Ein- und Ausatmen.

Die Atmung ist zwar ein Wunderwerk, das alleine vor sich hinarbeitet. Doch als einzige autonome Grundfunktion des Körpers lässt sie sich auch willentlich steuern. Und es tut dem eigenen Wohlbefinden gut, wenn wir die falsche Atmung abstellen, die sich vielleicht schon von Kindheit an eingeschlichen hat. 

Symptome für falsche Atmung

Denn unsere Atmung begleitet quasi alle Stoffwechselprozesse und Regungen des Körpers. Wer stressbedingt immer falsch, also zu flach atmet, kann sich etwa oft schlapp und müde fühlen. Manchmal folgen auch Beschwerden wie ein ständiges Entgegenfühl in der Brust. Auch das eigene Körpergefühl leidet darunter und wir können bei falscher Atmung unsere Emotionen nicht klar wahrnehmen. 

Wer hingegen richtig atmet, setzt auf körperlicher und emotionaler Ebene etwas in Gang, sagt Atemtrainerin Karoline Grün: Blutdruck, Puls und Muskeltonus lassen sich senken, und die richtige Atmung entspannt und mildert Stress-Symptome, Angstzustände oder Schlafstörungen. Auch lassen wir unsere Gefühle mehr zu bzw. können sie besser verarbeiten, wenn wir eine Fehlatmung abstellen. Die gute Nachricht: Richtiges Atmen kann man lernen. Und zwar so:

So lernen Sie richtiges Atmen

1. Wie lerne ich neu zu atmen?

Als erstes müssen wir bewusst wahrnehmen, wie wir atmen. Und davon ausgehend ist es möglich, tiefer in den Bauch und ins Becken zu atmen. 

2. Wie tief soll ich atmen?

Das Ziel lautet: So oft wie möglich die Vollatmung oder die Bauchatmung praktizieren – beide sind sehr effektive Atemformen, die die Lunge gut belüften und dem Zwerchfell genügend Bewegungsfreiheit verschaffen, sagt Karoline Grün. Für die Vollatmung zuerst durch die Nase in den Bauch, dann Richtung Flanken und zuletzt in den oberen Brustbereich einatmen. Anschließend durch Nase oder Mund ausatmen. 

Bei der Bauchatmung lässt man das Atmen in die Flanken weg. Ob Sie es richtig machen, können Sie von außen kontrollieren: Der jeweilige Körperteil soll sich beim Einatmen sichtbar weiten. Voll- und Bauchatmung sind aber nicht immer möglich, etwa bei manchen Sportarten, wo es bei der weniger tiefen Brustatmung bleibt. Das ist für diese Situationen auch okay, auf Dauer wäre es aber zu oberflächlich, sagt Karoline Grün. Denn dann könnte man die regenerative Kraft einer bewussten, tiefen Atmung nie erfahren. 

3. Wie schnell soll ich atmen?

Für das Atemtempo gilt: Je weniger Atemzüge pro Minute, desto tiefer und entspannender ist die Atmung. Auch wenn Sie länger aus- als einatmen, regen Sie den Parasympathikus an – jenen Teil des vegetativen Nervensystems, der für Entspannung zuständig ist. Das macht zum Beispiel vor dem Einschlafen Sinn. Für den Alltag passt Atmung mit etwa gleich langem, möglichst tiefem Ein- und Ausatmen am besten. 

4. Soll ich zwischen Ein- und Ausatmen eine Pause einlegen?

Im Alltag muss das nicht sein, da reicht die normale Atmung ohne bewusste Pausen aus – diese müssten ohnehin erst erlernt und dann immer wieder trainiert werden. Das macht Sinn, wenn Sie Ihre Entspannung gezielt fördern wollen. Deshalb sind Atempausen auch ein wichtiger Teil traditioneller fernöstlicher Meditationstechniken: Je länger die Pause, also das „Nichts“, desto ruhiger soll der Geist werden. 

5. Wo und wie kann ich richtiges Atmen lernen?

Grundsätzlich lässt sich die richtige Atemtechnik selbst ausprobieren. Anleitungen in Büchern, Youtube-Videos oder Online-Kursen unterstützen dabei. Trotzdem können Sie sich im stillen Kämmerlein auch falsche Muster antrainieren. Daher wären zumindest ein paar Termine bei einer ausgebildeten Person günstig, meint die Atemtrainerin. 

Denn dort lernen Interessierte unter genauer Anleitung und Beobachtung – und es werden konkrete Aufwärmübungen, das Atmen in mehreren Positionen und verschiedene Atemrhythmen gelehrt. Mit diesen Übungen fürs richtige Atmen können wir uns dann zu Hause gezielt erholen oder neue Energie verschaffen.

6. Wie schnell lerne ich die richtige Atemtechnik?

Das hängt davon ab, wie sehr sich eine falsche Atmung bereits verfestigt hat, sagt Atemtrainerin Grün. Denn manche Atemblockaden bauen sich über Jahrzehnte auf: Durch Stress, falsches Sitzen oder auch häufiges Tragen von Stöckelschuhen trainieren sich viele Menschen unbewusst eine durchgehend oberflächliche Atmung an – erkennbar daran, dass sich Bauch und Flanken dabei nicht oder kaum bewegen. Da braucht das Gehirn dann schon ein Zeiterl, um das neue Schema im Atemzentrum zu verankern. 

7. Atme ich dann für immer richtig?

Nicht unbedingt. Aber je besser die richtige Atmung bewusst trainiert und verankert wurde, desto eher bleibt sie auch erhalten. Dennoch ist auch regelmäßige Übung wichtig. Oh, ein weiterer Eintrag in den Terminkalender? Nicht unbedingt. Denn üben lässt sich auch zwischendurch, sei es bei einer Minipause am Schreibtisch oder beim Warten auf den Bus. 

„Ideal wäre, wenn Atemübungen so selbstverständlich wie tägliches Zähneputzen würden“, sagt die Atemtrainerin. Vielleicht fällt es Ihnen ja leichter, wenn Sie den Partner oder die Partnerin einbeziehen – es tut ja beiden gut. 

8. Brauche ich eine Atem-App? 

Kommt darauf an, wofür wir sie verwenden, sagt Karoline Grün: Sinnvoll sei die App fürs richtige Atmen, wenn sie an Übungen erinnere, über die aktuelle Atmung informiere oder vor nächtlichen Atemaussetzern (Schlaf-Apnoe) bewahre. Den Einsatz der App beim aktiven Üben sieht die Atemtrainerin aber skeptisch: „Atem ist individuell und auch mit unseren Emotionen verbunden. Darauf kann eine App nicht eingehen.“

9. Gibt es verschiedene Atemschulen?

Ja, mit jeweils anderen Schwerpunkten: Beim klassischen Atemtraining sollen durch Stimm- und Körperübungen die Atemmuskulatur gestärkt, Stress abgebaut und die Körperwahrnehmung gefördert werden. Techniken wie Autogenes Training oder Yoga zählen übrigens nicht zum Atemtraining, sondern sind vielmehr Entspannungs- und Bewusstseinstechniken, deren Hauptfokus nicht auf der Atmung liegt. 

Vorwiegend um die Behandlung funktioneller Störungen der Atmung geht es bei der Atemphysiotherapie. Andere Schulen konzentrieren sich mehr auf emotional-psychische Effekte – etwa Transition Breath oder holotropes Atmen, wo durch Hyperventilation spezielle Zentren im Gehirn angesprochen werden. Dadurch kommt es zu emotionalen Reaktionen, bei denen manchmal sogar Bilder vor dem geistigen Auge auftauchen. 

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