Die innere Uhr: Wir wir es schaffen, nach unserem Takt und damit gesünder zu leben.
Welcher Chronotyp sind Sie?

Die innere Uhr: Warum sie uns hilft, gesünder zu leben

Jeden Tag ausschlafen, ohne Wecker aufstehen und die Arbeit individuell in den Alltag integrieren: Für viele die Wunschvorstellung schlechthin – und auch Chronobiologen halten dies für den gesünderen Tagesablauf. Aber wie schaffen wir es, nicht gegen die innere Uhr zu leben?

Bei Jugendlichen, die während der Pubertät eher länger schlafen, verbessern sich nachgewiesen die schulischen Leistungen, wenn die Schule später beginnt. Und sie sind gesünder. Denn Jugendliche sind chronobiologisch gesehen tendenziell Spätaufsteher. Aber nicht nur auf die Jugend hat ein Leben nach der inneren Uhr einen positiven Einfluss, sondern auf uns alle. (Was übrigens auch unsere Gesundheit verbessert: kürzere Arbeitszeiten!)

Die innere Uhr: Was ist das überhaupt?

Die innere Uhr tickt bei jedem Menschen nach einem anderen Takt – und zwar aufgrund der Gene. Jeder hat einen anderen Genpool und der bestimmt individuell den Takt.

Die innere Uhr ist quasi eine Mechanik ohne Zahnräder: „Es sind Moleküle, die mit wiederkehrender Periodik schwingen; Prozesse, die in unserem Körper ablaufen, auch physiologische.“, sagt Chronobiologin Kristin Teßmar-Raible. Also: Der Rhythmus, nach dem unser Körper verschiedenste Prozesse im Körper steuert. Zum Beispiel, wann der Darm besonders aktiv arbeitet oder wir müde werden. Dabei beeinflusst die äußere Umwelt diese Prozesse, etwa Licht und Dunkelheit bzw. Tag und Nacht.

In der Regel laufen diese Prozesse bei jedem von uns tagtäglich zur gleichen Zeit ab. Es gibt aber auch Fälle, in denen unsere innere Uhr aus dem Takt gerät, zum Beispiel beim Jetlag. Dieser entsteht durch ein Ungleichgewicht der inneren Uhr: Wenn es durch die Zeitverschiebung draußen taghell ist, während unsere innere Uhr unseren Körper zur gewohnten Zeit anweist, mit der Melatoninausschüttung zu beginnen – und wir im Urlaub mitten am Tag müde werden. Dann müssen sich die innere und äußere Umwelt erst wieder aufeinander einstellen.

Darum ist es gesünder, nicht gegen die innere Uhr zu leben

In der Chronobiologie unterscheidet man zwischen zwei Extremausprägungen bei den Chronotypen: den Spätaufstehern, auch Eulen genannt, und den Frühaufstehern, die Lerchen. Der chronobiologische Normaltyp aber, zu dem der Großteil der Bevölkerung zählt, geht zwischen Mitternacht und 1 Uhr ins Bett und steht zwischen 8 und 9 Uhr auf. Das würden wir zumindest, wenn wir jeden Tag ausschlafen könnten. Im Wochenalltag sagt uns der Wecker, wann es Zeit zum Aufstehen ist. Gesund ist das nicht: „Der harte Weckvorgang ist für den Körper wie ein Alarmsignal“, sagt Experte Michael Wieden, der sich seit 2002 leidenschaftlich mit Chronobiologie im Personalmanagement beschäftigt. Durch das Schlafdefizit entsteht außerdem ein Leistungsdefizit. Denn: Wir sind im ausgeschlafenen Zustand nicht nur körperlich fitter.

Auch mental beeinflusst es uns, wenn wir zu wenig schlafen. Beim Schlafen durchläuft man nämlich mehrere Phasen. „Die REM-Phasen, wo wir träumen, Mentales verarbeitet und Gelerntes verfestigt wird, nehmen zum Ende des Schlafes zu. Je mehr ich davon abkappe, desto weniger Konzentration habe ich und Gelerntes wird nicht verarbeitet.“, sagt Wieden. Und: Wenn man 5 Tage in der Woche nicht zu Ende schlafen kann, kann das auch mittel- und langfristige Folgen haben, wie Fettleibigkeit oder Depression. „Es gibt sogar Studien dazu, dass Schichtarbeiter zu einem erhöhten Brustkrebsrisiko neigen“, sagt Wieden. Laut Teßmar-Raible liegt das daran, dass Schichtarbeiter quasi unter einem „chronischen Jetlag“ leiden – und das bedeutet enormen Stress für den Organismus. Denn ihre innere Uhr muss sich immer wieder neu einpendeln.

Wie kann ich die innere Uhr einstellen?

Seit kurzem gibt es einen Bluttest, mit dem man seinen Chronotyp bestimmen kann. Wem das zu viel Aufwand ist, der kann aber auch bequem von zuhause aus herausfinden, ob er Eule oder Lerche ist: mit einem Online-Test auf ifado.de. Und noch eine weitere Möglichkeit gibt es: Wenn sie das nächste Mal mindestens zwei Wochen Urlaub am Stück haben, lassen Sie den Wecker zuhause und schlafen Sie aus, geben Sie Ihrem inneren Rhythmus nach. Warum mindestens zwei Wochen? „Nach etwa zwei Wochen kommen Sie in den natürlichen Rhythmus hinein. Bis dahin steckt noch der künstliche Rhythmus in Ihnen“, sagt Experte Wieden. Beobachten Sie dann auch: Wann bin ich leistungsfähig?

1. Aufstehen, wenn die innere Uhr es sagt

Nicht jeder ist ein chronobiologischer Normaltyp – es gibt auch extreme Früh- und extreme Spättypen. „Wenn Sie ein sehr früher Chronotyp sind und schon um 4 Uhr früh aufwachen: Kämpfen Sie nicht dagegen an, sondern stehen Sie auf und tun Sie auch schon etwas!“, rät Chronobiologin Teßmar-Raible.

Sie sollten dann aber natürlich dementsprechend früh ins Bett gehen. Als Eule schlafen Sie – wenn möglich – ruhig aus und erledigen Sie einen Teil Ihrer Arbeit dafür erst am Abend. „Bereiten Sie außerdem Dinge am Abend für den nächsten Tag vor: zum Beispiel Ihre Kleidung oder die Arbeitsunterlagen.“, rät Florian Raible, Stammzellbiologe und selbst ein später Chronotyp.

2. Die innere Uhr takten

  • Gehen Sie tagsüber viel nach draußen.
  • Bewegen Sie sich am Tag so viel wie möglich.
  • Vermeiden Sie es, in der Nacht zu essen.

Denn: „Bewegung, Licht und Essen wirken auf die Stellrädchen. So kann man verhindern, dass die innere Uhr aus dem Takt kommt.“, sagt Kristin Teßmar-Raible.

3. Wenn wir den Wecker aber nicht abschaffen können …

… ist das noch lange kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken! „Wenn man den Weckvorgang nicht umgehen kann, können zum Beispiel Lichtwecker helfen, die Wecksituation angenehmer zu gestalten.“, rät Wieden. Das Wecklicht, das langsam hochgedimmt wird, signalisiert dem Körper auf angenehme Weise, dass es hell wird. „Dann habe ich die Chance, dass ich in einer Leichtschlafphase geweckt werde.“ Wir werden also nicht mehr unsanft mit lautem Weckergebimmel aus dem Schlaf gerissen.

Im Winter vor allem – oder wenn Sie auch im Sommer im Dunkeln aufstehen – können Sie morgens am Frühstückstisch oder im Bad zusätzlich Tageslichtlampen aufstellen. Tageslichtlampen sind Lampen mit hohem Blaulichtanteil, die Tageslicht simulieren sollen. Damit soll die Melatoninausschüttung unterdrückt werden und der Körper verstehen: Es ist jetzt hell und nicht mehr dunkel.

„Für abends sollten Sie dagegen bei allen Bildschirmen, wie Handy-Display und Laptop, einen Blaulichtfilter integrieren, auch bei den Geräten Ihrer Kinder“, sagt Wieden. Diese sollen die blauen Anteile aus dem Licht filtern und so dafür sorgen, dass die Melatoninausschüttung nicht mehr gehemmt wird – das heißt: Im besten Fall helfen Sie uns müde zu werden.

Das Forscherpaar Prof. Dr. Kristin Teßmar-Raible und Dr. Florian Raible verbindet mehr als das gemeinsame Interesse an Biologie. Teßmar-Raible ist seit 2017 Professorin für Chronobiologie an der Universität Wien. Ihr Ehemann studierte Molekulare Zellbiologie und Genetik. Während sich ihr Mann zu den Eulen zählt, ist Teßmar-Raible eine Frühaufsteherin.

Michael Wieden ist Betriebswirt, Autor, Keynote Speaker und Berater für Chronobiologie im Personalmanagement. Bei einem deutschen Unternehmen leitete er kürzlich ein Experiment, bei dem 14 Mitarbeiter 4 Monate lang ohne Wecker aufstehen durften. Im Juli 2019 startete sein neuestes Projekt, das noch bis Mitte Juli 2020 läuft: Die Personaleinsatzplanung in einer Klinik wird bestmöglich an die Chronotypen der Mitarbeiter angepasst.

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